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Bericht Die Angst vor der Dunkelheit

Vorsichtig tastet sich Ingrid Lenz mit einer Hand an der Wand durch die Flure der Gießener Augenklinik. Ihr Mann begleitet sie, weist sie darauf hin, wenn ein Hindernis im Weg steht. Die 68-Jährige ist Glaukom-Patientin, ihre Sehfähigkeit ist erheblich eingeschränkt. "Grüner Star" heißt die Krankheit im Volksmund. Neben ärztlicher Betreuung ist Hilfe von anderen Betroffenen wichtig für die Patienten, die "Angst vor der totalen Dunkelheit" haben. In Mittelhessen trifft sich seit drei Monaten eine Selbsthilfegruppe in den Räumen der Augenklinik.

In der Gruppe kann Ingrid Lenz mit anderen Glaukom-Patienten über ihre Ängste reden und Erfahrungen austauschen.Das Glaukom schränkt dasGesichtsfeld ein, Lenz kann nur noch kleine Teile sehen, der Rest ist einfach nicht mehr da. "Man merkt nicht, dass man nichts sieht", versucht sie zu erklären. "Wenn ich auf der Straße laufe, taucht manchmal plötzlich jemand vor mir auf, den ich vorher einfach nicht gesehen habe."

Obwohl sie einen Führerschein besitzt, kann Ingrid Lenz kein Auto mehr fahren. Ihre Augen sehen mögliche Gefahren erst viel zu spät; ein fliegender Ball, ein spielendes Kind. Dass die Krankheit bei Ingrid Lenz schon so weit fortgeschritten ist, sei die Schuld ihres Augenarztes, der jahrelang das Glaukom nicht erkannte, sagt sie.

"Früher glaubte man, dass nur ein erhöhter Augeninnendruck ein Indiz für Glaukom-Erkrankungen ist", berichtet Diana Klippel, Ansprechpartnerin der Selbsthilfegruppe. "Wenn der Druck normal war, hat man nichts weiter unternommen." Erst als Ingrid Lenz zu einem anderen Augenarzt wechselte, stellte dieser bei einer Untersuchung den "Grünen Star" fest.

Heute weiß man, schildert Klippel, dass nicht alle Erkrankten einen erhöhten Augeninnendruck haben. In der Regel wird die Netzhaut im Auge nicht ausreichend durchblutet, was den Sehnerv dauerhaft schädigt. Zunächst sei häufig der Rand des Gesichtsfeldes betroffen. In besonders schweren Fällen, kann der Patient erblinden. Nur eine regelmäßige Einnahme von Medikamentenzur Senkung des Augeninnendrucks kann das Fortschreiten der Krankheit stoppen. Heilbar ist sie nicht.

Vorsorge-Untersuchungen wie das Messen des Augeninnendrucks oder des Gesichtsfeldes sind deshalb sehr wichtig, sie werden aber nicht mehr von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe raten aber dennoch dazu, denn nur wenn die Krankheit rechtzeitig erkannt wird, kann sie auch erfolgreich behandelt werden. Was bis dahin an Sehvermögen eingebüßt wurde, ist unwiederbringlich verloren.

Die Untersuchungen sind in der Regel unkompliziert und schmerzfrei und können von jedem Augenarzt vorgenommen werden. Wer sollte die Untersuchung vornehmen lassen? "Starke Kurzsichtigkeit und erhöhter Blutdruck sind mögliche Anzeichen für eine spätere Erkrankung. Obwohl es wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, gibt es wahrscheinlich auch erbliche Veranlagungen für die Krankheit", erklärt Klippel. Viele Patienten hätten Verwandte, die ebenfalls an der Krankheit leiden.

Über ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Medikamenten und über alternative Therapieformen, zum Beispiel Akupunktur oder Musiktherapie, tauschen sich die Patienten in der Selbsthilfegruppe aus. "Es gibt Alternativen zur Schulmedizin", sagt Diana Klippel. "Jeder kann neben den normalen Medikamenten für sich selbst sehr viel tun."

Die Selbsthilfegruppe hat für die Anwesenden noch einen wichtigen Zweck: "Hier fühle ich mich verstanden", sagt Ingrid Lenz. Außenstehende seien oft nicht in der Lage, sich in die Situation eines Patienten zu versetzen. "Hier wissen die Leute, wovon man spricht, weil sie selbst betroffen sind. Ihnen kann ich meine Ängste anvertrauen."

Aus Sicht der Betroffenen sei vor allem die Kommunikation verschiedener Ärzte oft unzureichend: "Einerseits soll ich meinen Blutdruck senken, weil er sonst für mein Herz gefährlich ist. Andererseits ist zu niedriger Blutdruck schlecht für meine Augen", sagt Ingrid Lenz. Sie findet, dass die Medikamente und Therapien besser aufeinander abgestimmt sein sollten. Außerdem, kritisiert eine andere Teilnehmerin, fehle vielen Augenärzten das Gespür für die Krankheit. "Die Angst, eines Tages blind zusein, ist riesig." Der ideale Augenarzt sollte in der Lage sein, ihr die Angst zu nehmen, findet sie, denn Stress sei nicht förderlich, um das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen.

Die Glaukom-Selbsthilfegruppe Mittelhessen trifft sich an jedem zweiten Montag im Monat um 17 Uhr in den Räumen der Augenklinik in Gießen (Friedrichstraße 18). Das nächste Treffen findet am 10. Oktober statt. Kontakt über Gruppenleiterin Diana Klippel, (06 41) 9 84 54 00, E-Mail: glaukom@gmx.de.



 
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